Stöckacker Süd Bern

Erstellt am

Aktualisiert am

Die neue Wohnsiedlung Stöckacker Süd in Bern schafft Raum für eine ökologische Aufwertung. Das anfallende Regenwasser wird genutzt und oberflächlich versickert. Die Wohnsiedlung dient als Pilotprojekt für das dezentrale Wassermanagement und die nachhaltige Bewirtschaftung von Trinkwasser.

Kategorien

Sickerfähige Kiesgehwege
Sickerfähige Flächen
Begrünter Spielplatz
Abflussrinne und Dachabfluss von Fahrradunterständen

©Alle Bilder: Silvia Oppliger

Übersicht Wirkung

intendierte Wirkung aus Sicht Regenwasser-management
  • Verdunstung fördern
  • Regenwasser langfristig zurückhalten
  • Oberflächenabfluss reduzieren
  • temporärer Rückhalt zur Brechung von Abflussspitzen
  • kontrollierte Ableitung über Notabflussweg
weitere Wirkung
  • Hitzeminderung
  • Anreicherung Grundwasser
  • Förderung Biodiversität
  • Schaffung von Spiel-, Bewegungs- und Begegnungsraum
  • Verkehrsberuhigung / -reduktion

Projektkontext

Die Überbauung Stöckacker Süd ist ein Pionierprojekt. An die, dem Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik der Stadt Bern gehörende Siedlung, wurden bereits auf Stufe Projektwettbewerb hohe Anforderungen gestellt. Die Stadt forderte qualitativ hochwertige Aussenräume mit einer diversifizierten einheimischen Bepflanzung sowie einen Schilfteich für die Reinigung des Regenwassers sowie den Standard Minergie-P-ECO für die Häuser. Die nun gebaute Siedlung geht im Umgang mit dem Wasser sogar über die Anforderungen des Wettbewerbs hinaus. Neben üppigen Grünflächen, wasserdurchlässigen Belägen und begrünten Dächern wurde ein Konzept für die integrierte Wasser- und Biomassenutzung (IWB) in einem der Häuser umgesetzt. Dies ermöglicht täglich rund 15’000 Liter Trinkwasser einzusparen. Das Abwasser aus Toiletten, Waschmaschinen und Küchen wird aufbereitet und wiederverwendet. Die Siedlung Stöckacker Süd vereint viele Elemente, die dem Prinzip der Schwammstadt entsprechen und ist auch ein gelungenes Beispiel für die bauliche Verdichtung.

Schwammstadtelemente

In der Siedlung wird der natürliche Wasserkreislauf gefördert. Die Gehwege sind mit Kies befestigt, so dass das Regenwasser versickern kann. Entlang der Gehwege sind Versickerungsmulden in Kaskaden angelegt worden, welche als Schilfbeet ausgebildet sind. Die Dächer der Wohngebäude sind multifunktional nutzbar. Teilweise wurden Dachgärten für die Bewohner:innen errichtet, um Rückzugsorte zu schaffen und die Lebensqualität zu erhöhen. Die Flachdächer können auch Wasser aus Regenereignissen aufnehmen und speichern. Bei stärkeren Regenereignissen wird das überschüssige Regenwasser der Dachflächen oberflächlich auf Höhe Erdgeschoss über Rinnen in die Versickerungsmulden entlang der Gehwege geleitet, welche in einem zentralen Schilfbeet münden. Die Dächer der Siedlung Stöckacker Süd sind ein gutes Beispiel für die Kombination von Dachbegrünung und Solaranlagen.

Die gesamte Siedlung leistet einen wertvollen Beitrag zur ökologischen Vielfalt. Durch die verschiedenen Grünflächen mit angepasster Vegetation kann unterschiedlichen Arten ein Lebensraum geboten werden. Dies ist ökologisch sehr wichtig, da solche Nischen in einem urbanen System wie der Stadt Bern selten sind.

Die Siedlung in Bern setzt auf die Wiederverwendung des in der Siedlung anfallenden Abwassers. Dadurch kann die Siedlung schätzungsweise 15’000 Liter Trinkwasser pro Tag einsparen. Das aufbereitete Wasser aus Küche, Waschmaschine und Toiletten wird für die Bewässerung der üppigen Grünflächen der Siedlung verwendet. Damit die Wiederverwendung des Wassers möglich ist, müssen sich die Bewohner:innen an gewisse Regeln halten. Mehr dazu im Abschnitt «Alternative Toilettensysteme«.

Gewonnene Erkenntnisse

Das Pilotprojekt in der Siedlung Stöckacker Süd hatte zum Ziel, «Forschung unter realen Bedingungen zu ermöglichen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Förderung neuer technischer Entwicklungen im Bereich der dezentralen Abwasserentsorgung zu leisten». Es funktionierte als sogenanntes Living-Lab und wurde im Auftrag von Immobilien Stadt Bern durchgeführt. Da es in der Schweiz noch keine Normen für Recyclingwasser gibt, sind solche Pilotprojekte für die Förderung der dezentralen Abwasserentsorgung sehr wichtig. Nicht nur die Wiederverwendung von Wasser für die Grünflächen, sondern auch die Verwendung von Recyclingwasser für die Toilettenspülung wäre denkbar, um die Ressource Trinkwasser in der Schweiz zu schonen.

Alternative Toilettensysteme

Das Pilotprojekt in Stöckacker Süd wurde so dimensioniert, dass das gesamte Abwasser eines der insgesamt drei Gebäude im Stöckacker mit 50 Wohnungen, zwei Kindergartengruppen und einem Bistro gereinigt werden kann. Das Grau- und Schwarzwasser aus Toiletten, Bädern, Waschmaschinen und Spülbecken gelangt über eine wärmegedämmte Hauskanalisation in eine Bioreaktoranlage. In der ebenfalls isolierten Anlage durchläuft das Abwasser zunächst zwei Tanks, in denen sich die Feststoffe absetzen und von Bakterien zersetzt werden. In acht anaeroben Bioreaktoren übernehmen dann weitere Mikroorganismen den Ab- und Umbau der organischen Bestandteile, bevor in einer letzten biologischen Reinigungsstufe die aerobe Methode zum Einsatz kommt. Zuletzt werden über Sand- und Aktivkohlefilter noch Schwebstoffe bzw. Mikroverunreinigungen entfernt und das Recyclingwasser in einen Sammeltank geleitet.

Damit die Anlage korrekt funktioniert wurden die Bewohner:innen entsprechend sensibilisiert. Sie sollten möglichst auf Reinigungs- oder Pflegeprodukte mit antibakteriellen Stoffen verzichten und auch größere Fettmengen und mikrobiell nicht abbaubare Produkte wie Feuchttücher nicht über das Abwasser entsorgen.

Die Genfer Kooperative Equilibre hat verschiedene Systeme als Pilotanlagen getestet und gezeigt, dass Komposttoiletten und Wasseraufbereitung in städtischen Gebieten gut funktionieren können. Von den AnwohnerInnen wird jedoch ein bestimmtes Verhalten erwartet, damit diese Systeme erfolgreich sind und ein nachhaltiges Abwassermanagement angestrebt werden kann. Es wurde ein Merkblatt erarbeitet zum Thema «Komposttoilette in städtischen Gebieten».

Projektinformationen

Fertigstellung: 2016

Eigentum: Stadt Bern

AuftraggeberIn: Immobilienstadt Bern

Weitere Informationen